[Filme] Martyrs, 2008


Keep doubting.


1971: Die kleine Lucie (Jessie Pham) wird völlig verstört auf der Strasse gefunden. Es stellt sich heraus, dass sie jahrelang in einem kleinen Raum gefangen gehalten und gefoltert wurde. Nur ganz langsam kann sich das Mädchen wieder an ein normales Leben gewöhnen. Dabei hilft ihr ihre Freundin Anna.

15 Jahre später taucht Lucie (Mylène Jampanoï) unerwartet vor der Haustüre ihres Peinigers auf. Sie und Anna (Morjana Alaoui) haben die Spur bis hierhin verfolgt. Doch dies ist erst der Anfang des Martyriums...

Achtung: Enthält Spoiler zum Original und zum Remake!

Nachdem ich das Remake gesehen habe und eher enttäuscht war (Link zur Rezension), wurde mir geraten, es mal mit dem Original zu versuchen. Da ich schlussendlich also doch wieder neugierig wurde, kam es dazu, dass ich dies auch wirklich tat.

Und auch wenn "Martyrs" weder in der französischen Originalfassung, noch im Remake, DER Horrorfilm ist, so rate ich doch allen dazu, sich die ursprüngliche Version anzusehen. Die ist nämlich von Anfang an durchdachter, greifbarer und vor allem für einen Horrorfilm wichtig: brutaler, blutiger und grausiger.

Konnte ich beim amerikanischen Remake die ab 18 Bewertung in keiner Weise nachvollziehen (ab 16 hätte weitaus gereicht), so ist dies hier ganz anders. Die Franzosen sind weitaus weniger zimperlich, wenn es darum geht, die Rache, die kaputte Psyche und die Folterung darzustellen. Wer also Blut sehen will, soll "Martyrs" von 2008 schauen.

Was mir, neben den höheren Gewalt- und Gruseleffekten, ebenfalls positiv aufgefallen ist, ist die Charakterzeichnung. Die Amerikaner sind darin teilweise eher schwach, zumindest in der "Martyrs"-Verfilmung sind die Mädchen irrational, stupide und manchmal einfach nur doof. Die Französinnen haben viel mehr Tiefe, ihre Handlungen werden begründet. Hier rennt Anna nicht einfach nur hinter Lucie her und macht sauber, sondern sie versucht, Schaden zu begrenzen, Lucie zur Vernunft zu bringen und alles irgendwie wieder gerade zu biegen.

Weitere Änderungen: die prüden Amerikaner konnten es natürlich auch nicht haben, dass Anna und Lucie mehr sind als bloss Freundinnen. Mir gefiel dieser Aspekt, obwohl er für die eigentliche Handlung nicht wirklich relevant ist, ausser, dass die Beziehung natürlich eine starke Triebfeder für Anna ist.

Auch geändert: Die Amis wollten wohl etwas mehr Niedlichkeit ihren Film bringen und haben die verstörte Frau aus dem Original durch ein kleines Mädchen ersetzt. Natürlich gefiel mir auch hier das Original besser, weil es a) schauderhafter ist und b) noch deutlicher zeigt, wie weit diese Menschen für ihr Ziel gehen.

Nachdem ich also das Original gesehen habe, kann ich über das Remake nur noch mehr den Kopf schütteln. Es ist ein deutlicher Qualitätsverlust spür- und sehbar. Auch das Original ist kein Highlight in meinem Filme-Jahr, hat aber dennoch mehr zu bieten und verspricht einen grösseren Sehspass als die amerikanische Version.

Bechdel-Test: bestanden
Weil diese Mädchen tatsächlich keine Zeit (und kein Interesse) haben, über Männer zu reden. Da haben die anderes im Kopf.

Lieblingsszene: Die mit Anna und der Frau aus dem Kerker. Ich hätte ja den Krankenwagen gerufen, aber Anna schien das ganz gut zu handhaben. Teilweise zumindest. 


Produktionsland: Frankreich, Kanada
Originalsprache: Französisch
Originaltitel: Martyrs
Regisseur: Pascal Laugier
Label: Canal
Laufzeit: 99 Minuten
FSK: ab 18
Erscheinungstermin: 19.08.2008

19 Kommentare :

  1. Freut mich, dass du dir jetzt also endlich das viel, viel, viel bessere französische Original angesehen hast. Bei mir ist es übrigens umgekehrt, ich habe das Remake noch nicht gesehen. Aus Vergleichsgründen werde ich dies allerdings irgendwann nachholen. Ich schätze mal, da es so brav ist, wie du es schilderst, wird es eh mal im Fernsehen ohne Probleme ausgestrahlt werden.

    Der Regisseur des Originals, Pascal Laugier, ist übrigens ein ziemlich direkter Mensch. Angesprochen auf das US-Remake in einem Interview, meinte er ganz unverblümt, dieses Remake verhält sich für ihn so, als hätte man seine Mutter entführt und vergewaltigt. Obwohl seine Worte drastisch gewählt wurden, stimmt es anscheinend irgendwie.

    Es gibt einige wenige Filme, die wirkten beim ersten Mal ansehen dermaßen verstörend auf mich, sodass ich sie mir im Kopf abspeichere, damit ich sie für eine sehr lange Zeit nicht noch einmal ansehen muss.

    Im Moment sind das allerdings lediglich zwei Filme:
    Lars von Triers "Nymphomaniac"
    "Martyrs" - Das Original aus Frankreich

    Witzigerweise, für mich, verstörte mich bei beiden Filmen das Ende. Besonders das bei "Martyrs". Ich will jetzt nicht zu viel verraten an dieser Stelle (Spoilergefahr!), aber 30 Minuten durchgehende Stille, unterbrochen von Schlägen, und dann das Ende in den Augen des Märtyrers. Einfach nur heftig.

    Leider hast du in deiner Rezi das Ende nicht erwähnt. Mich hätte doch sehr interessant, wie es auf dich gewirkt hat.

    LG
    Stephan

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    1. Ich habe noch einen Nachtrag zu Filmen, die so verstörend auf mich wirken, dass ich sie mir für eine sehr lange Zeit nicht mehr ansehen kann:

      "Die Fremde" mit Sibel Kekilli
      "Die Jagd" mit Mads Mikkelsen

      LG
      Stephan

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    2. Wow, die Worte Laugiers sind wirklich deftig. Aber ich verstehe ihn und kann ihm eigentlich recht geben. Das ist gar kein Vergleich! Hat schon was von einer Vergewaltigung.

      Das Ende von "Martyrs" war echt gut gemacht. Auch wenn mich der Film nicht wirklich verstört hat (dafür braucht es unterdessen auch einiges), so ist es dennoch ein solide gemachter Film. "Nymphomaniac" und deine anderen angefügten Filme muss ich mir gleich mal näher anschauen.

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    3. Schon interessant, wie einzelne Szenen oder komplette Filme auf jeden Menschen anders wirken.

      Wenn du dir irgendwann "Nymphomaniac" angesehen hast, da muss ich dir erklären, wieso mich das Ende dermaßen verstört zurückgelassen hat. Mit diesem Wissen im Hinterkopf könnte es dir eventuell nicht ganz klar sein.

      LG
      Stephan

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    4. Ich werde mir den Film merken, möchte ihn sehr gerne anschauen. Aber aus bestimmten Gründen hat keine der Bibliotheken den Film im Programm ;) Mal sehen, wann er mir sonst begegnen wird :)

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    5. Haben die Bibliotheken wenigstens andere Werke von Lars von Trier im Programm? Oder umgeht man das Enfant terrible mit Absicht!? :)

      LG
      Stephan

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    6. Ja doch, ein bisschen was von ihm ist da :D

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    7. Wenigstens etwas. :D

      Wie haben es die Bibliotheken mit dem Jugendschutz, weil einige spätere Werke von Lars von Trier sind schon ziemlich heftig, ganz besonders "Antichrist".

      LG
      Stephan

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    8. Der ist bei uns auch nicht zu haben. Ich glaube, sie haben nur jene, die sie guten Gewissens ausgeben können :D

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    9. Denke ich auch. :D

      LG
      Stephan

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  2. Zu deiner Facebook-Umfrage:
    "Broadchurch"

    LG
    Stephan

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