[Filme] Salyut-7


The forgotten rescue of a dead space station.

Russland, 1985: Die russische Raumstation Salyut-7 sendet plötzlich keine Daten mehr, jeglicher Kontaktversuch ist sinnlos. Was ist geschehen? Die beiden Raumfahrer Viktor Savinykh (Pavel Derevyanko) und Vladimir Dzhanibekov (Vladimir Vdovichenkov) werden ins All geschickt, um herauszufinden, wo das Problem liegt, und die Station wieder zum Laufen zu bringen. 

Kann die Station nicht mehr gerettet werden, stürzt sie entweder auf die Erde nieder und verursacht eine riesige Zerstörung, oder aber die Amerikaner übernehmen die Salyut, was zur Zeit des Kalten Krieges ebenso katastrophal enden könnte...

Der deutsche Trailer zu "Salyut-7" macht einen ganz falschen Eindruck. Zwar kommt der Clip imposant daher, doch das war es auch schon. Er macht zu sehr einen auf westlich und daher wundert man sich nicht, dass die Kommentare alle gleich Vergleiche  zu "Interstellar" ziehen. Ganz im Sinne von "Wieso sollte ich diesen Film schauen? An Interstellar kommt der nicht ran."

Denn was uns dieser deutsche Trailer nicht mitteilt und was hierzulande kaum jemand weiss: Dieser Film basiert auf wahren Begebenheiten. "Insterstellar" dagegen ist ein Science-Fiction-Film wie er sein muss. Er fragt sich "Was könnte sein?" und "Wie könnte es sein?". 

"Salyut-7" dagegen ist passiert, das ist Geschichte, beweis- und belegbar. Die Rettung der Station gilt noch heute als eine grössten Leistungen in der Geschichte der Raumfahrt. Und nachdem bereits 1983 Stanislaw Petrow den Ausbruch des Dritten Weltkrieges verhindert hat, so treten 1985 Viktor und Vladimir in dessen Fussstapfen. Sie sind Helden, die wir nicht kennen.

Genau deshalb ist es grossartig, dass es solche Filme gibt. Filme, die diesen unbekannten Helden den Platz einräumen, der ihnen auch in der breiteren Masse gebührt. Dass sie ihn Russland keine Unbekannten sind, glaube ich gerne, aber in unseren Breitengraden kennt sich kaum jemand mit der russischen Geschichte aus.

Dennoch ist der Vergleich mit Nolans "Interstellar" nicht ganz und gar falsch. Denn imposant kommt auch die Salyut daher. Wüsste man es nicht besser, könnte auch dieser Titel als Hollywood-Produktion durchgehen. Deshalb erst kamen diese Gedanken auf. Qualitativ spielt diese russische Produktion also mit den ganz Grossen mit. Sehr eindrücklich vor allem jene Szenen, in denen mit der Geschwindigkeit gespielt wird. Erst treibt die Rakete mit den Kosmonauten langsam und gemächlich in Richtung der Salyut-7. Dann wechselt die Kamera in die Aussenperspektive und man bekommt mit, mit welcher Geschwindigkeit diese Maschinen durch das Weltall düsen. Und dann wechselt die Kamera wieder. Diese Einstellungen werden mir lange im Kopf bleiben.

Aber auch die Schauspieler sind gut gewählt. Wie gut, sieht man im Abspann. Neben den Namen aller Mitwirkenden werden hier originale Fotos und Bilder der realen Vorbilder, der Salyut und des Bodenteams gezeigt. Nur schon indem man den Film gesehen hat, kann man auf den Fotos erkennen, wer wer ist. Es wurden also Schauspieler gesucht, die den Originalen praktisch wie aus dem Gesicht geschnitten sind (oder man hat viel in die Maske investiert). 

Hier könnte sich der Westen einiges von abschneiden. Denn in vielen Filmen, die hier auf wahren Begebenheiten basieren, sehen die Schauspieler ganz anders aus als die Personen, die sie darstellen. In Amerika muss alles aufgehübscht werden. Die Russen dagegen wollten Authentizität. Das Gefühl für die Leute wecken. Sie greifbar machen für die junge Generation.

Genauso viel Aufmerksamkeit wurde in die Handlung investiert, die so nahe wie für eine filmische Produktion möglich an den realen Ereignissen steht. Keine übertriebenen Action-Szenen, die jeder Zuschauer als in der realen Welt unmöglich erkennen kann. Hier wurde, wenn überhaupt, nur im Kleinen etwas geändert. Nur Lücken gefüllt, nicht ganze Stränge umgeschrieben, nur um das Publikum einzulullen. Sowas scheinen die Russen nicht nötig zu haben. Die wollen ihre Helden so sehen, wie sie wirklich waren, kein aufgeschöntes Filmidyll.

Ihr mögt jetzt vielleicht anmerken, dass das alles nach russischer Propaganda klingen mag (wobei man dann anführen kann, dass all diese CIA- oder was auch immer-Filme ebenfalls amerikanische Propaganda sind). Jedoch führen die Macher in "Salyut-7" ganz dezent genügend Kritik am damaligen System ein, dass es eben nicht mehr als Propaganda zählen kann. Sätze wie: "Im Fernsehen sagen sie, alles sei in Ordnung. Was ist passiert'" zeigen das Leben in der ehemaligen UdSSR auf und setzen ganz gezielte kleine Hiebe aus. Wie wir wissen, funktioniert Propaganda anders. Kein Mensch wählt sich aus, in welchem Land, mit welcher Nationalität er geboren wird. "Salyut-7" ist ein Film über zwei Menschen, die Grossartiges geleistet haben, egal ob sie nun Russen waren oder einer anderen Nationalität angehörten.

An der Länge dieser Besprechung könnt ihr wahrscheinlich ablesen, dass ich begeistert bin von "Salyut-7" und das stimmt. Ganz und gar. Es ist definitiv eines meiner Highlights des bisherigen Jahres!

Bechdel-Test: nicht bestanden
Es gibt auf dem Boden einige Frauen, die in einigen Szenen auch interagieren. Diese Szenen sind jedoch viel zu kurz, sodass keine richtigen Dialoge zustande kommen. Deswegen kann ich es nicht gelten lassen.

Lieblingsszene: Als Vladimir wieder aus dem All zurück auf der Erde ist, auch der Terrasse raucht und einfach den Aschenbecher vom Balkon fallen lässt. Seine Frau muss ihm dann das mit der Schwerkraft noch einmal erklären, woraufhin er ziemlich erschüttert ist.
Ausserdem die Szene mit den gefrorenen Wassertropfen.


Produktionsland: Russland
Originalsprache: Russisch
Originaltitel: Salyut 7
Regisseur: Klim Schipenko
Label: CTB
Laufzeit: 118 Minuten
FSK: ab 6
Erscheinungstermin: 05.10.2017

10 Kommentare :

  1. Interessant, interessant. Auch, wenn die meisten Filme aus Russland, die ich gesehen habe, eher dem Durchschnitt angehören (was zu einem großen Teil auch an der unterqualifizierten deutschen Synchronisation liegt), muss ich an dieser Stelle dennoch zugeben, dass alle russischen Filme bemerkenswert sind, allen voran wegen den richtig geilen Visual Effects. Ich weiß, ich stelle diese Frage bei jedem russischen Film, aber: Wie kann Russland so geile Computereffekte sogar auf billigem Niveau kreieren, und Hollywood versaut es sogar bei hochbudgetierten Projekten!? (An dieser Stelle möchte ich noch kurz vermuten, dass die Filme aus Russland für unsere Sehgewohnheiten nach niedrigem Budget aussehen, was sie aber höchstwahrscheinlich nicht sind. Zudem hat jedes Land ein anderes Finanzsystem, sowie eine eigene Auffassung von teuer und billig)

    Das Land Russland hat allerdings einige der genialsten, nachdenklichsten, durchdachtesten, intelligentesten, philosophischsten und so weiter Werke geschaffen. "Solaris" von Andrei Tarkowski zum Beispiel, oder "Stalker", ebenfalls von Tarkowski.

    Aus diesem Grund finde ich persönlich Filme so wichtig, um besondere Geschichten und Personen in der ganzen Welt bekannt zu machen, weil man sie der ganzen Welt einfach vorstellen muss.

    Dass bei Biopics der gewählte Schauspieler, die gewählte Schauspielerin nicht immer so aussieht wie die echte Person ist, so sehe ich es, ein zweischneidiges Schwert. Einerseits lenkt ein beinahe identisch aussehender Schauspieler, eine beinahe identisch aussehende Schauspielerin vom eigentlichen Geschehen, der Handlung ab, andererseits gerade bei bereits verstorbenen oder bei geschichtlich relevanten Personen sollten sie eigentlich schon so aussehen wie das Original, um ein schönes Zeitdokument zu haben. Oder aber es ist beides egal, oder auch nicht. Du merkst, selbst ich schreibe mich bei dem Thema gerade um Kopf und Kragen. :)

    Vor einiger Zeit habe ich gelesen, dass man in Deutschland ein Biopic über den großen Harald Juhnke plant. Produzent Oliver Berben meinte hierzu in einem Interview, er wolle keinen identisch aussehenden Schauspieler haben, da man sich so mehr auf das Seelenleben einlassen kann.

    Es wäre auf jeden Fall Thema für eine wundervolle über Stunden gehende Diskussion.

    Und sollte irgendwann einmal doch diese große Frage nach dem Aussehen oder Nicht-Aussehen beantwortet worden sein, dann gibt es gleich darauf das nächste große Problem zu lösen, nämlich der Zeitraum des Lebens der realen Person, auf dem dieses Biopic basiert. Soll das gesamte Leben porträtiert werden, oder sollen nur einzelne Abschnitte hervorgehoben werden (so wie beispielsweise bei Danny Boyle's genialem "Steve Jobs" mit Michael Fassbender).

    Eine weitere große Diskussionsrunde wurde ins Leben gerufen! :D

    Es tut mir sehr leid, ich merke gerade selber, dass ich total abschweife, weil eigentlich beschränkt sich "Salyut-7" auf ein einziges Ereignis, dessen Geschichte die Welt unbedingt kennen sollte.

    Ich werde ihn mir auf jeden Fall mal vormerken, alleine schon deswegen, weil ich finde, dass man Filme aus Russland viel zu stark unterschätzt.

    LG
    Stephan

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    1. Da hast du tatsächlich eine grosse Diskussion ins Rollen gebracht :D

      Ich persönlich finde ja, dass, wenn man schon eine Geschichte erzählt, die auf wahren Tatsachen beruht, man sich auch an gewisse Züge der Figuren halten sollte. Sonst möchte sich der interessierte Zuschauer später weiter informieren und muss dann feststellen, dass die Person, die sie im Kopf hat, eigentlich ganz anders aussieht.

      Sollte das bei einem Film, den ich mir ansehe, der Fall sein, dann gehe ich automatisch davon aus, dass die Macher sich auch in anderen Dingen grosse Freiheiten gelassen haben, somit ziehe ich also die gesamte Glaubwürdigkeit der "wahren" Begebenheiten in Frage. Vor allem bei einer Biopic sollte man sich schon Mühe geben, der echten Person nahe zu kommen. "Hitchcock" ist hierbei ein wirklich schönes Beispiel. Man erkennt den echten Hitchcock in Hopkins wieder.

      Es kommt natürlich auch darauf an, ob es sich um einen Film handelt, der in erster Linie unterhalten will. Dass hier Änderungen vorgenommen wird, ist offensichtlich. Will der Film informieren (was bei Salyut-7 eindeutig der Fall ist), finde ich die Ähnlichkeit wichtig. Wenn ich durch einen Film mehr über das Leben dieser Person erfahren möchte, will ich nicht, dass gross herumgeändert wird. Möchte ich dagegen einfach ein paar Stunden Spass haben, dann zählt dieses Kriterium gleich ein ganzes Stück weniger.

      Aber das ist nur meine laienhafte Meinung.

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    2. Du hast professionelle und interessante Ansätze, die mir sehr zusagen.

      So richtig etwas entgegnen möchte ich nicht, lediglich einige weitere meiner Ansichten zum besten geben.

      Wenn du sagst/schreibst, dass der Schauspieler, die Schauspielerin gewisse Züge der realen Person haben sollte, meinst du damit die Gesichtszüge oder die Wesenszüge?

      Mir fallen da ein paar Beispiele ein, wo der Schauspieler, die Schauspielerin keinesfalls so aussieht wie die reale Person, aber dennoch so glaubhaft mit seiner/ihrer Darstellung rüberkommt, dass man meint, die reale Person sehe tatsächlich so aus. Ich habe sogar ein Beispiel, dass dich unterstützt.

      Fangen wir gleich einmal mit dem Beispiel an, welches dich unterstützt. Hierbei handelt es sich um den Film "Aviator" mit Leonardo DiCaprio als Howard Hughes. Mal abgesehen davon, dass der Film beinahe drei Stunden dauert, und sich zweieinhalb davon eigentlich nur mit Flugzeugen beschäftigt, sieht Leonardo DiCaprio keineswegs so aus wie der echte Howard Hughes. Man könnte ja eigentlich darüber hinwegsehen, wenn das Schauspiel gepasst hätte, oder die erzählte Geschichte. In diesem Fall finde ich beides misslungen.

      So, und jetzt zu den zwei Beispielen, die meine Meinung sogar hervorragend unterstützen.

      Nein, warte, ich habe sogar noch ein weiteres Beispiel, welches dich unterstützt, und irgendwie auch mich, aber hierzu später mehr.

      Der Film "Thirteen Days" beschäftigt sich mit den 13 Tagen der Kubakrise aus der Sicht der Amerikaner. Dieser Film spielt die ganze Zeit über nur im Weißen Haus, so eine Art Kammerspiel sozusagen. Die gewählten Darsteller sehen keinesfalls so aus wie ihre historischen, realen Vorbilder, dieser Aspekt wird allerdings wettgemacht durch ihr ausdrucksstarkes Spiel, sowie die sich steigernde Spannung in der Inszenierung, den Dialogen und dem weiteren Fortschreiten der Handlung.

      Bei dem zweiten Film handelt es sich um "Jackie" mit Schauspielerin Natalie Portman. Diesen Film habe ich selber noch nicht gesehen, lediglich den Trailer, aber der reichte bereits aus. Natalie Portman sieht ebenfalls keineswegs so aus wie das Original, aber bereits im Trailer war ihr Spiel so emotional, so außergewöhnlich, so nuancenreich, da nimmt man ihr das Nicht-Gleichaussehen gar nicht mehr übel.

      So, und jetzt zum vorhin erwähnten Beispiel, welches dich und mich unterstützt.

      "Der Butler" mit Schauspieler Forest Whitaker. Einige Schauspieler sehen den realen Vorbildern ähnlich, andere nicht, beide Varianten ergänzen sich allerdings wunderbar miteinander, weil die Darstellung ist so exzellent, dass die mehr als ausreicht, und die Geschichte wurde so spannend erzählt, dass das Zuschauen wie im Fluge vergeht.

      Wie du siehst, nicht einmal Biopics sind einfach nur schwarz und weiß. Die Mischung aus so vielen Facetten macht das Gesamtkunstwerk aus.

      LG
      Stephan

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    3. Ich habe mir einige Bilder zu den genannten Filmen angesehen, da ich leider die Titel bisher nicht gekannt habe (höchstens davon gehört).

      Bei "Thirteen Days" wäre ich von Beginn an grundsätzlich eher skeptisch, was die Informationen betrifft. Vor allem, wenn nur aus der Sicht eines (mächtigen) Landes erzählt wird, rieche ich zu rasch Propaganda. Vor allem bei Amerika, das sich gerne grösser macht, als dass es ist. Ich könnte mir jedoch vorstellen, dass ich dadurch neugierig auf das Thema werden würde und mich dadurch weiter damit befassen.

      "Jackie" sieht auf den ersten Blick eigentlich ganz passabel aus. Man sieht den Bildern an, dass Portman sich mit ihrem Charakter befasst und sich in sie hineinversetzt hat. Das ist auch ein wichtiger Teil in solchen Titeln.

      Aber wie du schon sagst, es kommt ja auch immer auf das ganze Bild an, wie der Film im Allgemeinen daherkommt.

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    4. Bei deinem Beitrag zu "Thirteen Days" hast du schon Recht. Aber wie du bereits schon erwähnt hast, ich mache es bei Wahren-Begebenheiten-Filmen immer so, dass ich während oder nach dem Ansehen mich mit eben dem realen Ereignis zusätzlich befasse/auseinandersetze. Man glaubt ja gar nicht, wofür man sich selbst so interessiert, wenn man über einen Film und seine realen Fakten recherchiert. :)

      LG
      Stephan

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    5. Oh ja, so geht es mir auch! Dank des Filmes "Tora! Tora! Tora!" zum Beispiel, wurde ich endlich neugierig darauf, zu erfahren, wie der Zweite Weltkrieg aus asiatischer Sicht geführt wurde. Sehr spannendes Thema übrigens, das hierzulande kaum angerührt wird.

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    6. Den möchte ich dir den Clint-Eastwood-Film "Letters from Iwo Jima" wärmstens ans Herz legen.

      Clint Eastwood hat als Regisseur die Schlacht um Iwo Jima in zwei Filmen erzählt, einmal aus amerikanischer Sicht, einmal aus japanischer Perspektive.

      "Flags of Our Fathers", die amerikanische Sichtweise, erzählt die Entstehungsgeschichte des berühmten Bildes von einer Handvoll Männern, die gemeinsam eine amerikanische Flagge auf dem Schlachtfeld aufstellen.

      Ich kann mich noch erinnern, als damals "Letters from Iwo Jima" ins Kino kam, da haben sich die Amis ziemlich beschwert über diesen Film, weil er aus japanischer Sicht erzählt wurde.

      LG
      Stephan

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    7. Oh, von "Letters from Iwo Jima" habe ich auch schon viel Gutes gehört. Kommt gleich auf die Liste!

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    8. Ausgezeichnet. :-)

      LG
      Stephan

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