[Filme] Love Exposure


Give it to me.

Nach dem Tod von Yus Mutter wird dessen Vater (Atsuro Watabe) Pfarrer, verliebt sich jedoch bald darauf in die wilde Kaori (Makiko Watanabe). Yu (Takahiro Nishijima) leidet still unter der Beziehung der beiden. Doch als Kaori Tetsu verlässt, kann dieser nicht damit umgehen. Er beginnt, Yu täglich zur Beichte zu zwingen. Um seinem Vater zu gefallen, beginnt Yu, sich Sünden auszudenken und diese schlussendlich auszuführen. So wird Yu zum talentiertesten Höschen-Fotografen der Umgebung. 

Doch dabei ist er ständig auf der Suche nach seiner "Maria", der einzigen Frau, die in Yu sexuelle Gefühle erwecken kann. Diese Maria trifft er ausgerechnet als Frau verkleidet mitten in einem Kampf in Tokyos Strassen. Blöderweise ist Yoko (Hikari Mitsushima), so "Marias" echter Name, ausgerechnet Kaoris Tochter, die nun ebenfalls wieder auftaucht und Tetsu heiraten möchte...

Wenn sich andere Filme langsam auf ihren Höhepunkt hin entwickeln, dann fängt dieser Film erst an. "Love Exposure" schreckt mit seiner Länge von knapp vier Stunden erst einmal ab, deshalb lag der Film auch so lange auf dem SUB. Nachdem wir uns etwas Zeit freigeschaufelt hatten, konnten wir mal den Anfang schauen und danach abends jeweils eine kleine Portion, anders hätten wir den Titel wohl nicht geschafft.

Doch die Länge tut dem Film nur gut, hätte man irgendetwas gekürzt, so hätte das ganze Gerüst keinen Sinn mehr ergeben. Wie schon die obige Beschreibung zeigt, hängt in "Love Exposure" jede Handlung von einer anderen ab, wie in einem Domino-Spiel; ein Stein fällt und alle anderen fallen mit.

Es ist ein wirklich sehr japanischer Film, also ziemlich abgedreht. Ausserdem wird hier jeder bedient: es gibt blutige Splatterszenen, witzige Einlagen (die vor allem darum witzig sind, weil sie so gut aufgebaut sind), emotionale Liebesszenen und Höschen. Gebetet wird auch immer wieder. Und geschrieen.

Dennoch wird es einem während der vier Stunden nicht langweilig. Da sich der Film genug Zeit lässt, um seine Charaktere zu entwickeln und aufzubauen, ist man stets mit dabei. Dabei löst eine irrsinnige Szene die nächste ab. Und wieder einmal fällt einem der durchdachte Aufbau auf und wie komplex dieser Film ist. Viele Szenen vom Anfang werden am Schluss wieder aufgegriffen, aber mit vertauschten Rollen.

Dabei dreht sich die Handlung und windet sich hin und her. Es braucht also eine gewisse Aufmerksamkeit, um die Verknüpfungen zwischen den drei Parteien (Yu, Yoko und Aya Koike, gespielt von Sakura Ando) vor Augen zu behalten. So sehr sich diese drei Hauptfiguren gegenseitig abstossen, so sehr ziehen sie sich an. Als verbindendes Glied gilt hier die Vaterfigur, unter der sie alle zu leiden haben. Nur gehen alle ganz unterschiedlich damit um und so nimmt die Handlung ihren Lauf.

Wer sich gerne auf Neues einlässt, dem kann ich "Love Exposure" nur empfehlen. Es ist ein Film, der so ganz anders daherkommt, als wir es kennen. Mal rasant, mal ruhig, mal explosiv, mal philosophisch, dabei aber stets brutal, roh und oft auch blutig, daneben absolut witzig und mit ungewöhnlichen Extras und Themen versehen. So kommt auch religiöser Fanatismus zur Sprache, während nebenher einer von Yus Freunden sich weigert, die Rabatt-Etiketten von seinen (geklauten) Klamotten zu entfernen.

Bechdel-Test: bestanden
Im Gegensatz zu den meisten Filmen, die auf das System der zwei männlichen und einen weiblichen Hauptfigur basieren, haben wir hier zwei wichtige Frauen (und dazu noch Kaori), die sich alle untereinander austauschen und diskutieren. Dabei kommt natürlich oft das Thema Männer/Yu zur Sprache, aber es geht auch um sexuelle Befreiung, Familie und persönlicher Ausdruck.

Lieblingsszene: Als Yu einer sehr dunklen Stunde seine besten Freunde kennenlernt. Während sie auf einen Getränkeautomaten einschlagen, gesellt sich Yu einfach mal zu. Schliesslich braucht er Sünden. So entsteht eine tiefe und ehrliche Freundschaft, die sich durch den ganzen Film zieht. Es ist das japanische Ideal einer Freundschaft, in dem man immer für den anderen da ist und ihn unterstützt. Und seien es auch so Ideen wie Höschen fotografieren, Sünden sammeln oder Mädchen entführen.


Produktionsland: Japan
Originalsprache: Japanisch
Originaltitel: Ai no Mukidashi
Regisseur: Sion Sono
Label: Studio Three
Laufzeit: 237 Minuten
FSK: ab 16
Erscheinungstermin: 2008

7 Kommentare :

  1. Interessant, interessant.

    Ich vergesse bei all den Actionfilmen und Splatter-Orgien hin und wieder mal, dass die Japaner auch die Tragik, die Romantik, das Philosophische, das Nachdenkliche ziemlich gut beherrschen. Und sogar richtig beherrschen, weil die Deutschen und die Amerikaner gehen nicht so sehr in die tiefe wie unsere Freunde aus dem Osten, die bleiben mehr oberflächlich.

    Ich war während des Lesens deiner Rezi überrascht, dass es auch ein Vier-Stunden-Japan-Film zu uns rüber geschafft hat, weil in Europa werden lange asiatische Filme gerne runter gekürzt auf eine für Europäer und Amerikaner angeblich "genießbarere" Länge von zirka 90 Minuten, was ein ziemlicher Blödsinn ist, wie ich finde. Ich gebe zu, der Anteil der Vier-Stunden-Gucker ist nicht sonderlich groß, aber er ist vorhanden. Aber leider zählt immer wieder die ökonomische Statistik.

    Ich mag eigentlich Filme sehr gerne, die über 2 Stunden hinaus gehen, weil die können sich mehr auf die Story und sogar ihre Details konzentrieren, weil eben mehr Zeit zur Verfügung steht. Was allerdings für Filme gut ist, ist leider für Serien wiederum schlecht. Natürlich hat eine serielle Erzählung einer Geschichte Vorteile, weil man eben Zeit hat, sich intensiv und länger als in einem Film und Story und ihre Charaktere zu bemühen. Aber aufgrund der Folgenanzahl hat man dann meistens zu viel Freiheit und Zeit, sodass man Füllmaterial hinzufügen muss, und dieses Material mindert dann leider die Qualität wieder (somit wären wir auch wieder bei meiner Netflix-Meinung: unbegrenzte finanzielle Mittel und kreative Freiheit müssen nicht immer zu einem respektablen Ergebnis führen). Aus diesem Grund bin ich doch irgendwo froh darüber, dass die Serien heutzutage nicht mehr 23 Episoden, sondern nur mehr 10 oder so haben, dies stellt nämlich die nötige Optimierung dar (Grenzen braucht man also doch).

    LG
    Stephan

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    1. Ja, nicht wahr? Man hat so ein gewisses Bild von Japan und seinen Kulturgütern und merkt dabei oft nicht, dass sie noch viel mehr zu bieten haben. Und ich gebe dir Recht, nur schon dieser Film hat eine solche Tiefe, wie sie westliche Filme nur ganz selten erreichen (vor allem bei den neueren Werken).

      Darüber war ich auch überrascht. Aber vielleicht ist den Firmen unterdessen bewusst, dass es genug Japanophile und Filmfans gibt, die sich solche Filme sehr gerne ansehen. Ausserdem wüsste ich gar nicht, wie man diesen Film hätte kürzen können - hätte man nur ein Segment weggelassen, hätte vieles Andere keinen Sinn mehr ergeben.

      Das stimmt, lange Filme haben einen ganz besonderen Charme und viel mehr die Möglichkeit, seine Charaktere entwickeln zu lassen und eine ganz besondere Geschichte zu erzählen. Füllerepisoden bei Serien sind ein eher trauriges Kapitel, das merkt man oft bei Anime, die sehr strikt sind, was ihre Anzahl Folgen pro Staffel sind. Man sieht es ja auch z.B. bei "Sherlock" - es muss nicht immer viele Folgen haben, solange sie inhaltlich mit Qualität aufwarten.

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    2. Daran könnte tatsächlich was dran sein. Jetzt, wo du es sagst/schreibst, komme ich gerade drauf, dass es mehr japanische, chinesische und so weiter Filme auch zu uns rüber schaffen. Was auch mich sehr freut. Ich weiß noch, wie ich dieses (Film-)Land damals in jüngeren Jahren für mich entdeckte, und gerne näher kennengelernt hätte, dann allerdings feststellen musste, dass wenig bis gar nichts mehr verfügbar ist. Und heutzutage gibt es sogar eigene sogenannte Asia-Labels, die sich nur um Filme aus dem fernen Osten bemühen, großartig.

      "Sherlock" ist wieder ein klein wenig was anderes, denn bei "Sherlock" handelt es sich um eine sogenannte Miniserie. Die gehen wieder in Ordnung, weil eine Staffel meistens nur eine einstellige Folgenanzahl aufweist. Allerdings machen Miniserien auch wieder sehr gerne dieselben Füll-Fehler, weil eine Episode 90 Minuten geht, und da muss dann wieder das gute alte nervige Füllmaterial her.

      LG
      Stephan

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  2. So ging es mir vor einigen Jahren auch, als ich mehr über die japanische Kultur(industrie) erfahren wollte und Informationen, Filme, Bücher etc. suchte. Es gab kaum was. Unterdessen ist es tatsächlich viel einfacher geworden, Kulturgüter aus Asien zu bekommen.

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