Nach dem Tod seiner Frau verwahrlost der Samurai Seibei zusehends. Dennoch ist er glücklich, kümmert sich um seine zwei Töchter und seine kranke Mutter, seinen Job und den Haushalt. Die Familie hat nicht viel, aber sie haben einander. Doch dann erhält Seibei den Auftrag, einen abtrünnigen Samurai zu töten...
"Twilight Samurai" von Youji Yamada basiert auf dem Roman von Shuhei Fujisawa und führt uns zurück ins Japan des 19. Jahrhunderts, als langsam aber sicher das Ende der Samurai eingeläutet wurde.
Es ist ein ruhiger, besonnen erzählter Film und wirkt deshalb wie eine Erholungspause im Vergleich zu den rasanten und lauten Filmen heutzutage. Ich fühlte mich sofort wohl in diesem ruhigen Setting, das perfekt zur Atmosphäre passte. Seibei führt ein ruhiges Leben, im Gegensatz zu allen anderen Männern will er keine Karriere, sondern nur seinen Töchtern beim Grosswerden zuschauen. Grosse Ambitionen hat er keine und für ihn ist das in Ordnung. Es ist die Gesellschaft, die seine Art zu leben nicht akzeptieren kann.
Was den Film ausserdem so speziell macht, ist dass er kaum vorhersehbar ist. Wenn man ein paar Filme gesehen hat, fängt man irgendwann an, Vorhersagen zu machen. In diesem Falle: "Die Kinder werden getötet!" oder "Er wird sterben", "Er wird seinen Job verlieren" etc. etc. etc. Bei den meisten Streifen treten genau diese Vorhersagen irgendwann ein und man kann stolz sein und sagen: "Wusst ichs doch!"
Nicht so in diesem Film. Hier geht alles seine eigenen Wege und irgendwie ist nichts vorhersehbar. Grossartig, Herr Yamada! So bleibt auch der Zuschauer bei der Stange, eben weil er nicht weiss, was geschehen wird!
Auch der historische Kontext ist schön herausgearbeitet. Man erhält als Zuschauer einen ungeschönten Einblick in ein Japan im Umbruch. So erfährt man auch, wie es den Samurai ergeht, die keine Herren mehr finden und sich kaum über Wasser halten können. Oder das Konstrukt der Familie und die Höflichkeitsfloskeln, die den japanischen Alltag bestimmen.
Die Kostüme ist sehr schön dargestellt und auch die Hintergründe, Seibeis Haus mit der Feuerstelle, oder der Speicher, in welchem er arbeitet, sind greifbar und sehr realistisch. Am liebsten hätte ich einen Spaziergang durch das Dorf gemacht und hätte mir alles noch genauer angesehen.
Der historische Kontext wird gut erklärt, ist für Europäer aber teilweise etwas zu rasch abgehandelt, sodass ich nicht an allen Stellen folgen konnte. Da Seibei sich aber aus der Politik raus hält, macht das nichts und man kann sich den Film ruhig weiter ansehen ohne etwas zu verpassen.
Auch die Schauspieler überzeugen durch und durch. Hiroyuki Sanada (der auch in The Wolverine mitspielt und in "Sunshine" und "Lost" und diversen anderen Hollywood-Filmen) übernimmt die Hauptrolle und überzeugt zu 100%. Seibei muss man einfach mögen und Sanada gibt dieser Figur sehr viel Seele und Gefühl.
Rie Miyazawa als Kindheitsfreundin Tomoe ist ausserhalb Japans eher unbekannt und deshalb ein neues Gesicht. Mir gefiel auch ihre Rolle, als geschiedene und deshalb wenig geachtete Frau, die jedoch für das einsteht, was ihr wichtig ist. Der Film wäre ohne sie nicht derselbe und die Liebesgeschichte zwischen Seibei und Tomoe wird langsam und behutsam aufgebaut, sodass man auch als aussenstehender miterlebt, wie die Zuneigung der zwei langsam wächst. Solche Liebesszenen gefallen mir, denn sie sind glaubhaft und realistisch.
Die deutsche Synchro ist akzeptabel, sodass man sich den Film gut auf Deutsch ansehen kann. Nur bei den Namen kam etwas Missklang auf. Teilweise sind sie zu englisch ausgesprochen, sodass der Name "Michinoj" eher wie "Michi Joe" klang - das ist zwar lustig, passt aber nicht wirklich ins Japan der 19. Jahrhunderts.
"Twilight Samurai" ist ein wirklich gelungener historischer Film, den sich vor allem an Japan interessierte nicht entgehen lassen sollten. Auch auf Imdb.com wird er mit 8.2 bewertet, die Zuschauer sind sich also durchaus einig, was die Qualität dieses Streifens betrifft. Auch an der Berlinale 2003 wurde er von den Kritikern gut aufgenommen. Dass "Tasogare Seibei", wie der Film im Original heisst, in Japan sehr viele Preise einheimste, ist da fast schon logisch.
Bechdel-Test: bestanden
Tomoe spielt und redet mit den Töchtern Seibeis und kümmert sich rührend um die Mädchen. Natürlich sprechen auch die Töchter immer wieder miteinander, auch wenn es meistens darum geht, welche Aufgaben im Haus noch zu erledigen sind. Dann spricht Tomoe auch die Grossmutter, von Demenz gezeichnet, immer wieder an und fragt, wie es ihr geht. Natürlich weiss die Grossmutter nicht immer, wer da vor ihr sitzt, aber sie gibt immer sehr höflich Antwort.
Cool, sogar der bekannte Filmkritiker Roger Ebert bewertet diesen Film so positiv, wie es nur geht. :-)
AntwortenLöschenIch muss sagen, deine Rezi hat mich echt neugierig auf den Film gemacht, ich mag ja solche Streifen, in denen es sehr ruhig und nachdenklich zugeht, wie beispielsweise auch in Clint Eastwoods "Erbarmungslos" oder auf andere Art und Weise in einem Quentin Tarantino-Movie, und aus diesem Grund dürfte dieser Film hier absolut was für mich sein, merkte ich auch gleich daran, dass ich mit jedem deiner geschriebenen Worte immer aufmerksamer wurde. :D
Bei dem einen Absatz mit dem teilweise englischen Aussprechen von Namen musste ich schmunzeln, denn dies ist unter anderem eine äußerst gelungene Anspielung in dem Film "Shang-High Noon" mit Jackie Chan und Owen Wilson, wo Jackie einen Chon Wang spielt, und die Owen Wilson-Figur versteht nur John Wayne. Echt witzig! :D
LG
Stephan
Der Film ist echt toll und wundervoll, deshalb lege ich ihn dir wirklich ans Herz!
LöschenVielleicht war die Synchro dann ja so gewollt? ;)
Denn landet er mal auf meinem Radar. :-)
LöschenOb es hier so gewollt war, dies wage ich doch eher anzuzweifeln. :D
LG
Stephan
Danke übrigens für den Tipp. :D
LöschenLG
Stephan
Immer gerne doch :)
Löschen:-)
LöschenLG
Stephan