Der Kreis, 2014 |
Zürich im Jahr 1956: Der junge Lehrer Ernst Ostertag (Matthias Hungerbühler) schliesst sich der Bewegung "Der Kreis" an, eine Untergrundorganisation, die auch international als Wegbereiter für die Rechte der Homosexuellen gilt. Auf einer Party trifft Ernst auf Röbi (Sven Schelker) und verliebt sich in diesen. Bald schon sind die beiden ein Paar, doch Ernst kann in seiner Position als Lehrer und Sohn gutbürgerlicher Eltern nicht offen zu seiner Homosexualität stehen. Röbi dagegen wünscht sich eine ernsthafte Beziehung, die längert hält, als nur eine Nacht.
Währenddessen gerät der Kreis und alle Homosexuellen mehr und mehr in den Fokus der Presse, die sie als Monster abstempeln. Die eingeschworene Gemeinde zerbricht mehr und mehr...
Dieser Film erzählt Geschichte, wahre, belegbare Geschichte. Aber eben jene Art von historischen Ereignissen, die man nicht in der Schule vermittelt bekommt. Dafür fände ich, dass es genau solche Themen braucht, um Schüler zu sensibilisieren.
"Der Kreis" bewegt sich zwischen Spielfilm und Dokumentation, denn einerseits stellen Matthias Hungerbühler und Sven Schelker Ernst und Röbi in den 50ern dar, anderseits erzählen uns Ernst und Röbi selbst, was damals geschehen ist. Dazu kommen Fotos, die dem Zuschauer einen weiteren Einblick in das Leben dieser Männer bieten. Auf diese Weise ist ein wundervoller, überaus feinfühliger und intensiver Film entstanden, der an keiner Stelle langweilig, übertrieben dramatisch oder pietätlos ist.
Genau diese Mischung macht den Film so eindrücklich. Hier merkt man, dass sich Geschichte auch auf unsere heutiges Leben auswirkt. Ausserdem erfährt man Sachen, die man anders wohl gar nicht mitbekommen hätte. Auch die Unterbrüche sind an keiner Stelle störend, sondern man freut sich darüber, zu sehen, wie Ernst und Röbi heute leben und was sie alles zu erzählen haben. Ein toller Kunstgriff von Regisseur Stefan Haupt.
Schön ist auch, dass sich der Film viel Zeit lässt und ohne Effekthascherei erzählt, ohne erhobenen Zeigefinger, ohne etwas beweisen zu wollen. Dadurch entsteht eine spürbare Intensität, die einem oft kalte Schauer über den Rücken jagt. Wenn man miterlebt, mit welcher Heimlichtuerei Homosexuelle damals (und heute auch noch viel zu oft) ihr Leben leben mussten und mit welcher Härte die Gesellschaft sie verurteilte (und heute noch noch viel zu oft verurteilt), dann kann ich einfach nur traurig den Kopf schütteln.
Weiter machen auch die schönen und eindringlichen Bilder "Der Kreis" zu etwas Besonderem, abgerundet durch grossartige Musik und Darstellern, die unglaublich gut sind. Allen voran hat mir Sven Schelker gefallen, aber auch matthias Hungerbühler überzeugt in jeder einzelnen Mimik. Beide Hauptdarsteller vermögen mit nur einem Blick Gefühle, Emotionen und Gedanken zu vermitteln - etwas, das viele andere Schauspieler in dieser Eindrücklichkeit nicht beherrschen.
Normalerweise tue ich mich schwer mit Schweizerdeutsch in Filmen. Das war schon als Kind so, vor allem wenn es ein fremdsprachiger Film ist, der auf Schweizerdeutsch synchronisiert wurde. Das klingt einfach so seltsam in meinen Ohren. In "Der Kreis" jedoch fühlte sich die Mundart ganz natürlich an und es störte mich nicht im Geringsten. Dass ab und zu Französisch gesprochen wird, machte das Ganze noch glaubhafter, da dies ebenfalls eine Landessprache der Schweiz ist.
Ich bin durch und durch begeistert von "Der Kreis", was ich wirklich nicht gedacht hätte. Und auch wenn ich suchen würde, fände ich dennoch keinen Punkt, an dem ich etwas aussetzen könnte. Wenn ich ehrlich sein darf, habe ich auch gar kein Interesse daran, bei diesem Film nach dem Haar in der Suppe zu suchen. Denn schon lange hat mich keine Geschichte mehr so sehr berührt, wie die von Ernst und Röbi. Einfach wundervoll!
Bechdel-Test: nicht bestanden
Natürlich gibt es auch weibliche Figuren (Röbis Mutter, eine Kollegin von Ernst...), aber diese kennen sich nicht und da es sich beim Kreis um einen Verein von Männern handelt, lernen sich die Frauen gar nicht erst kennen.
Lieblingsszene: Als Ernst Röbi auf der Arbeit besucht und sich die Haare schneiden lässt.
Ich muss mal anfangen, mich näher mit Filmen aus der Schweiz zu befassen, da sind einige echte Schmankerln dabei. Seltsamerweise zeigen die deutschen und österreichischen Fernsehsender wenig bis gar keine Filme aus diesem Land, egal, aus welchem sprachlichen Teil. Nicht einmal 3SAT, der ja eigentlich eine Kooperation von Österreich, Deutschland und der Schweiz darstellt. Schon merkwürdig, weil selbst Produktionen aus den tiefsten Winkeln der Erde kann ich auf allen voran Kultur-Fernsehsendern sehen.
AntwortenLöschenLG
Stephan
Es gibt ein paar gute Filme aus der Schweiz, das gebe ich zu. Aber meine Erfahrung sagt, eben nur ein paar wenige. Deshalb wird die Schweiz wohl von 3Sat auch etwas stiefmütterlich behandelt, zumindest könnte das ein Grund dafür sein.
LöschenGut, dies könnte natürlich ein Grund sein, aber wenigstens ein Mal zeigen könnte man sie schon. So zum kaufen beispielsweise werde ich sie sicherlich nicht so leicht finden (außer natürlich in der Schweiz selber), da allerdings, so nehme ich mal an, aus wirtschaftlichen Gründen, denn, so unfair es klingt, die sind uninteressant für deutsche und österreichische Konsumenten.
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Stephan
Stimmt, ab und zu mal was würde sicherlich drin liegen. Also, falls du mal was Schweizerisches brauchst - meld dich, dann besorg ich dir, was du brauchst :)
LöschenLieb von dir, Danke. :-)
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Stephan
:-)
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Stephan