[Filme] Harold and Maude

Harold and Maude, 1971

Harold, everyone has the right to make an ass out of themselves. You just can't let the world judge you too much. 

Der junge Harold (Bud Cort) hat eine gewisse Faszination für den Tod, sehr zum Leidwesen seiner Mutter, die ihren Sprössling endlich verheiraten möchte. Regelmässig besucht Harold Beerdigungen fremder Menschen und auf einer solchen trifft er zum ersten Mal auf Maude (Ruth Gordon).

Die 79-Jährige ist das sprühende Leben und lässt sich von niemandem etwas vorschreiben. Harold und Maude verbringen mehr und mehr Zeit zusammen und kommen sich immer näher...

"Harold and Maude" haben wir uns vor Ewigkeiten im Religionsunterricht angeschaut und das gesamte Klassenzimmer war empört. Ich habe mitgemacht, aber nur aus Gruppenzwang. Mir hat der Film damals schon gefallen und noch Jahre später konnte ich mich noch an die Schlussszene erinnern. In der Bibliothek stiess ich nun zufällig auf den Titel und kam nicht umhin, mir auch diesen Film noch einmal ansehen zu wollen.

Dass dieser Streifen bei Erscheinen kein Erfolg war, kann man sich denken. Hier werden zwei noch immer (und das über 40 Jahre nach Veröffentlichung!) tabuisierte Themen angesprochen: Eine Liebe mit einem grossen Altersunterschied und der selbstgewählte Tod.

Jetzt mag man denken, dass dieser Film in Form eines Dramas daherkommt, wahrscheinlich noch mit dem Zeigefinger wackelnd - aber nein! "Harold und Maude" ist eine richtig tiefschwarze Komödie. Erst dachte ich, dass es sich um einen englischen Film handeln muss, denn die sind ja bekanntlich führend auf dem Gebiet des schwarzen Humors, aber tatsächlich stammt der Film aus den USA. Welch Überraschung!

Man sollte jedoch ein Faible für diese Art von Humor haben, ansonsten ist mal wohl eher entsetzt. Denn Harold versucht sich umzubringen, in allen Formen und Farben. Gleich in der ersten Szene erhängt er sich. Er schneidet sich die Kehle auf. Oder verbrennt sich. Rabenschwarzer Humor. Und irgendwie hat man Mitleid mit seiner Mutter, die dem Ganzen hilflos gegenüber steht. Ihre Verkupplungsversuche helfen da auch nicht weiter.

Erst Maude bringt Veränderung. Die wilde Maude, die auf alles eine Antwort weiss, immer fröhlich und positiv. Die jeden Tag etwas Neues ausprobieren will und tatsächlich an eine Sonnenblume erinnert. Mehr und mehr taut Harold auf und es ist wunderbar, dies zu beobachten. Hal Ashby (Regisseur) setzt diese aufblühende Beziehung rührend und bewegend ins Bild und Schauspielerin Ruth Gordon bringt diese Figur richtig zum Leuchten.

Natürlich ringt man ein wenig mit sich. Ist das gesellschaftlich noch akzeptabel? Ist es in Ordnung, wenn jemand freiwillig aus dem Leben scheiden möchte? Ist es bei einer fast 80-Jährigen etwas anderes als bei einem 20-Jährigen? Dürfen sie eine sexuelle Beziehung führen?

In "Harold and Maude" erwacht der Geist der 70er. Noch ewtas früh, aber unterdessen ist der Film ein Kultfilm. Wie kann man es sich sonst erklären, dass er in einer kleinen Schule in der Schweiz im Religionsunterricht landet?

Obwohl die Thematik des Streifens eher ernst sind, sprüht der Film vor Leben. Kein anderer hat mich bisher mit einer so lebensbejahenden Stimmung hinterlassen wie dieser hier. Maude wirkt in uns allen nach, nicht nur in Harold. Aber was sie bei diesem stillen, introvertierten Jungen angestellt hat - das ist unglaublich! Maude hat sich zu einer meiner allerliebsten Filmfiguren entwickelt und ich hätte nur zu gerne mal eine Tasse Tee mit ihr getrunken.

Ja, der Film will anecken. Und das darf er auch, das muss er. Wir müssen manchmal über unsere eigenen Schatten springen und auch mal unsere Gesellschaft ein wenig in Frage stellen.

Grosses Puls ausserdem: Die unvergessliche Musik von Cat Stevens!

Bechdel-Test: nicht bestanden
Harolds Mutter spricht zwar mit ein paar Dates ihres Sohnes. Doch da diese nur den Zweck haben, den Jungen unter die Haube zu bringen, kann ich diese Gespräche nicht zählen. Ansonsten stehen Harold und Maude und ihre Beziehung im Mittelpunkt.

Lieblingsszene: Als Harold ins Militär soll und Maude eine Idee hat, wie man dies verhindern kann. Ich habe mich schlapp gelacht :D

 

14 Kommentare :

  1. In Bezug auf diesen Film find ich mich selbst irgendwie seltsam. Eigentlich bin ich so eine Art Fan von schwarzen Komödien (bin mit Monty Python unter Anderem groß geworden, da lernte ich, schwarzen Humor zu lieben), die Darsteller spielen toll (Ruth Gordon als Maude kann ich allerdings nicht sonderlich leiden, mir sagt ihre teils vorlaute Persönlichkeit nicht so zu), die Musik ist perfekt, die schwarzhumorigen Gags sind mit Gespür für Timing und Kameraführung gelungen, es ist super, dass gleich zwei tabuisierte Themen aufgegriffen werden.

    Dennoch, trotz all der gerade positiv erwähnten Punkte, kann ich mich für diesen Film nicht begeistern, und ich weiß nicht, wieso. Es ist nicht einmal so, dass ich nicht leiden kann, er ist mir einfach gleichgültig. Es könnte, also bei mir, eventuell daran liegen, dass er vielleicht zu überspitzt schwarzhumorig inszeniert wurde. Dies wäre meine momentane spontane Erklärung hierzu.

    Aber, schlecht reden will ich ihn auf keinen Fall, den Film.

    LG
    Stephan

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    1. Oder versuchen wir es anders auszudrücken:
      Die Briten gehen mit schwarzem Humor immer so leicht und locker um, die Amerikaner hingegen, die sind hierfür etwas zu verkrampft.

      LG
      Stephan

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    2. Spannend, dass du trotz deiner Gleichgültigkeit gegenüber dem Film immer noch die positiven Punkte herausstreichen kannst. Sowas können nicht viele.

      Mir gefiel auch der amerikanische schwarze Humor, aber es stimmt schon, dass die Engländer etwas lockerer sind damit. Schön beobachtet!

      Maude mochte ich genau wegen ihrer vorlauten Art so gerne. Ich mag Figuren, die so sind, wie ich gerne wäre, oft sehr - wahrscheinlich, weil ich sie insgeheim bewundere.

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    3. Danke, ich habe bei beruflichen, angeblich professionellen, Kritiken und bei Meinungen im Freundeskreis (und natürlich auch im Internet *g*) schon eigentlich sehr früh in Erfahrung bringen können, dass, wenn man irgendetwas hasst, es komplett hasst, obwohl ein paar Punkte vielleicht doch Gefallen gefunden haben, dies will vor lauter Hass nur keiner mehr zugeben.

      Auch ich machte anfangs diesen Fehler, habe dann aber, anscheinend erfolgreich, festgestellt, dass es eben einen Fehler meinerseits darstellt.

      Danke auch für das schöne Lob meiner Beobachtungsgabe. :-)

      Auch ich bewundere vorlaute Leute, wie beispielsweise die aus "Community" oder den "Fresh Prince of Bel-Air". Aber für mich kommt es auch darauf an, wie sie das Vorlaute in die Welt hinaustragen. Provokant, wie eben Maude, mag ich nicht, auf eher locker, leicht, spaßig sagt mir da schon eher zu, ich will ja schließlich keine unnötige Gewalt heraufbeschwören, geht ja heutzutage leider so leicht.

      LG
      Stephan

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    4. Solches Verhalten stellte ich auch fest. Da ist etwas einfach "schlecht", weil es nicht dem eigenen Geschmack entspricht. Was denn genau schlecht ist, das kann sogar selten ausformuliert werden. Deshalb mag ich es, wenn jemand begründen kann und sich auch soweit mit der Materie beschäftigt, dass man auch positive Punkte herausstreichen kann.

      Maude ist wirklich provokant, auch ihre Art, Autos zu stehlen, ist ein wenig fies. Aber irgendwie passt es, finde ich. Ich denke, dass die Besitzer früher oder später ihre Wagen wieder zurückerhalten haben :) Aber natürlich hast du Recht, man sollte darauf verzichten, Gewalt herauszubeschwören oder anderen extra Schmerzen zuzufügen. Das ist nicht mehr lustig, sondern einfach nur gemein.

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    5. Ich denke, so ein verändertes, neutrales Verhalten schafft man nur, wenn man sich, wie du und ich zum Beispiel, mit der Materie mehr beschäftigt.

      LG
      Stephan

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    6. Dem stimme ich voll und ganz zu. Leider schaffen es nicht alle, sich auf diese Art und Weise mit etwas zu beschäftigen...

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    7. Da stimme ich dir voll und ganz zu. :-) Die Menschen sind leider viel zu unkonzentriert, und stehen ständig unter (zeitlichem) Strom, sie nehmen sich leider keine Zeit mehr für irgendetwas, was sie eventuell interessieren könnte.

      LG
      Stephan

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    8. Das ist leider das Leben heutzutage. Man muss alles können, alles mögen, in allem gut sein, viel Geld verdienen etc. etc. Irgendwas muss da ja über Kurz oder Lang auf der Strecke bleiben...

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  2. Huhu!

    Oh, diesen Film habe ich vor Ewigkeiten gesehen und er ist mir gut im Gedächtnis geblieben! Ich fand ihn großartig. :-)

    Vor ein paar Jahren habe ich im Kino sehr schmunzeln müssen, als ich "Die Tiefseetaucher" mit Bill Murray gesehen habe (übrigens auch ein toller Film mit viel schrägem Humor und dennoch Tiefgang), denn da spielte ein Schauspieler mit, der mir so bekannt vorkam, aber ich konnte ihn einfach nicht einordnen, bis es dann endlich klick gemacht hat.

    https://www.youtube.com/watch?v=ZenJKC3LhOA
    Hättest du ihn erkannt?

    LG,
    Mikka

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    1. Hallo :)

      Schön, dass du den Film kennst und ihn auch mochtest!
      Den Clip hab ich mir angesehen und ganz genau hingeschaut - sein Grinsen verrät ihn, aber hätte ich die Szene gesehen, ohne dass du mich darauf hingewiesen hättest - ich hätte nichts bemerkt :D Gratuliere zu deiner guten Beobachtungsgabe!

      Viele Grüsse
      Jari

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  3. Eine wunderbare Besprechung eines wunderbaren Films :-) Ich liebe den schwarzen Humor und finde den Film unglaublich lebensbejahend. Interessant, dass es selbst heute noch Tabuthemen sind, der hat ja schon ein paar Jahre auf dem Buckel.

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    1. Vielen Dank für deine lieben Worte! Lebensbejahend ist der Film wirklich, er strahlt so viel Positives aus - dem konnte nich einmal ich mich entziehen :)
      Und ja, dem ist tatsächlich so. Diesbezüglich hat sich in unserer Gesellschaft nicht viel getan.

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